Der Tag, an dem die Ratte schneller war als wir
Und warum ich seitdem jedem dunklen Eck mit Angst begegne.
Wir waren schon immer ein bisschen abgehärtet.
Verdorbene Ware, kaputte Kühlungen, Lieferanten, die glauben, wir merken TK-Ware nicht – kennen wir alles. Aber dieser Tag? Der hat Maßstäbe gesetzt.
Denn dieser Tag hatte ein zusätzliches Teammitglied. Ungebeten. Haarig. Und verdammt schnell.
Die ersten Hinweise kamen schleichend.
Eine aufgerissene Verpackung hier, ein paar Krümel da, Spuren, die aussahen wie Dreck, aber irgendwie… zu sauber dafür waren.
Der Azubi meinte: „Vielleicht war’s die Katze vom Hof.“
Bruder. Wir sind im dritten Stock. In einem Altbau.
Die einzige Katze, die hier was reißt, bin ich nach vier Espressi und einem Bier.
Am Abend war volles Haus. Wir rotieren. Ich bin gerade dabei, drei Teller Wildschweinragout zu finishen, während der Chef die Garnelen für die Vorspeise flambiert. Alles normal – bis ein gellender Schrei aus der Spüle kommt.
„DA IST WAS GELAUFEN!“
Ich denk noch: Bestimmt wieder irgendein Idiot, der seinen eigenen Schatten gesehen hat. Aber dann renn ich rüber – und seh sie.
Die Ratte.
Nicht klein. Nicht süß. Nicht niedlich.
Ein Monster. Ein pelziges Geschoss mit Selbstbewusstsein.
Sie läuft quer durch die Spülküche, quer über den Boden, schnurstracks in den Lagerraum.
Der Azubi steht wie eingefroren. Ich ruf nur:
„Mach die Tür zu! SCHNELL!“
Zu spät.
Das Ding war weg.
Versteckt.
Und wir alle wussten:
Die ist noch da. Und sie beobachtet uns.
Der Chef wird blass.
„Wenn das ein Gast sieht, sind wir geliefert.“
Ich:
„Wenn ich das Ding nochmal seh, bin ich auch geliefert.“
Wir machen weiter – mit einem Auge auf den Pass, dem anderen auf den Boden. Ich hör Geräusche, wo keine sind. Bewegungen im Augenwinkel. Ich fang an, an meinem Verstand zu zweifeln.
Die Gäste essen. Lachen. Trinken.
Und wir spielen Mäuschenjagd zwischen den Gängen.
Später – gegen Feierabend – entscheiden wir, das Vieh zu stellen.
Mit Eimer, Handschuhen und einem Besen bewaffnet, gehen wir in den Lagerraum wie eine Spezialeinheit.
Wir räumen alles raus. Kisten, Säcke, Boxen.
Und da – in der Ecke – sitzt sie.
Und schaut uns an. Mit diesem Blick.
So ein „Na, ihr kleinen Bitches?“-Blick.
Ich renn los, Besen voran. Sie schießt unter dem Regal durch, wir schreien alle durcheinander, der Azubi wirft den Eimer, der Chef stolpert, ich fall fast in die Kartoffelkiste.
Am Ende?
Hat sie’s geschafft. Wieder entwischt.
Das Vieh war zu schnell.
Wir haben den Kammerjäger gerufen. Der kam zwei Tage später. Hat Spuren gefunden. Fallen aufgestellt.
Und was ist passiert?
Nichts.
Sie war weg. Einfach weg. Wie ein Schatten, der nur gekommen ist, um uns zu zeigen:
„Ihr seid nie sicher. Nie.“
Fazit:
Wenn du in der Küche denkst, du hast alles unter Kontrolle – dann kommt die Realität auf vier kleinen Pfoten und lacht dir ins Gesicht.
Wir haben sie nicht erwischt.
Aber sie hat was hinterlassen:
Trauma. Paranoia.
Und verdammt viele Witze über „unser neues Haustier“.
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