Samstag, 250 Gäste, 3 Leute im Team – willkommen in der Realität
Wenn du glaubst, es geht nicht schlimmer – doch, es geht.
„Es wird voll, aber wir kriegen das hin.“
Dieser Satz ist der Anfang vom Ende. Jedes Mal. Und genau das dachte sich der Chef, als er sich entschloss, uns zu drittauf einen komplett ausgebuchten Samstagabend loszulassen. Küche: zwei Leute. Service: ich allein. Der Azubi zählt nicht. Der war schon beim Wort „Wechselgeld“ überfordert.
Die ersten Gäste kommen rein, alles noch okay. Ich begrüße, setz hin, nehm Bestellungen auf. Alles gleichzeitig. Währenddessen schießt mir schon der Schweiß den Rücken runter, bevor auch nur ein Glas am Tisch angekommen ist. Mein Gehirn rechnet in Bons und Laufwegen. Kein Platz für Gefühle. Kein Platz für Fehler.
Die Küche? Im Krieg. Die Jungs rösten Gemüse, frittieren irgendwas und schreien sich an wie zwei Straßenhunde auf Speed.
„WO IST DAS SCHEISS-DRESSING?“
„IN DEINEM A***, SUCH ES DOCH!“
Gute Stimmung also.
Ich renne durch den Gastraum wie ein aufgescheuchtes Hühnchen, versuche irgendwie die Bestellungen im Kopf zu behalten, während Tisch 7 zum dritten Mal fragt, ob der Burger denn wirklich vegan ist. Er ist es. Sogar unsere Geduld ist’s. Noch.
Zwischen Tisch 3 und Tisch 14 fällt mir das Tablett aus der Hand. Drei Gläser. Alles kaputt. Kind schreit. Mutter guckt mich an, als hätte ich ihr Kind geohrfeigt. Ich nicke nur und sage: „Kommt gleich neues.“ Was ich eigentlich denke, sag ich besser nicht. Es würde die Milch gerinnen lassen.
Der Azubi steht derweil hinterm Tresen und sortiert Strohhalme. Ich frag, ob er helfen kann. Er zuckt. Ich weiß nicht, ob nervlich oder körperlich. Ich schick ihn los, Brot bringen. Er bringt Butter. Ohne Brot. Ich… atme.
Irgendwann brüllt der Chef aus der Küche:
„KEINE BESTELLUNGEN MEHR FÜR 10 MINUTEN!!“
Ich: „Soll ich’s den Gästen auch einfach ins Gesicht schreien oder lieber tanzen?“
Alles flackert. Ich funktioniere nur noch auf Autopilot. Mein Lächeln ist geliehen, mein Charme tot. Und dann – wirklich, kein Witz – eine Frau fragt, ob ich noch ’nen Aperol machen kann, aber bitte ohne Alkohol und mit extra Eis, aber auch nicht zu viel, sie hat empfindliche Zähne.
Ich hab kurz überlegt, ob ich einfach aus dem Fenster springe.
Aber irgendwie – ja irgendwie – ziehen wir’s durch. Keine Ahnung wie. Vielleicht weil man irgendwann nichts mehr fühlt. Weil der Körper übernimmt, wenn der Verstand schon Feierabend gemacht hat.
Am Ende? Applaus. Wieder einer dieser Tage, wo du dir denkst: “Warum tu ich mir das an?”
Und dann trinkst du dein Feierabendbier und weißt:
Weil keiner was Geileres macht als wir.
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