Wie wir 3 Stunden ohne Strom gekocht haben

Und warum ich seitdem jedes Flackerlicht als Trauma-Trigger sehe.


Es war einer dieser Tage, an dem du eigentlich schon nach den ersten zehn Minuten weißt: Das wird kein gutes Ende nehmen.

Der Kaffee war leer, bevor ich überhaupt einen bekommen hab. Die Lieferung kam mit zwei Stunden Verspätung – und natürlich fehlten die Eier. Nicht „wenige“ – alle.
Aber gut. Wir sind ja nicht zum Spaß hier. Ich baller mein Mise en Place runter, checke die Bons, schnauze den Azubi an, weil er zum fünften Mal fragt, wie viele Gramm Salz auf einen Liter Suppe kommen. (Antwort: Nicht du, Kevin.)

Der Abend kommt ins Rollen. Die ersten Gäste sitzen. Zwei Geburtstagsgesellschaften. Eine Gruppe Engländer, die sich gegenseitig anschreien, als wären sie schwerhörig. Alles normal. Alles machbar. Bis es passiert.

ZACK.

Stille. Dunkel. Ruhe.
Der Strom ist weg.
Nicht so ein kurzes Flackern – nicht dieses typische „Sicherung springt und kommt gleich wieder“-Ding.
Komplett weg.

Licht? Aus.
Kombidämpfer? Tot.
Bon-Drucker? Still.
Die Fritteuse? Stiller als der Azubi nach einem Anschiss.
Nur das Gas läuft noch. Ironischerweise. Also wenigstens offenes Feuer, das ist ja auch was. #HobbitCooking

Wir schauen uns an. Keine Panik – noch nicht. Nur dieser eine Blick, der in der Gastro alles bedeutet:
“Okay. Dann halt jetzt Improvisationstheater.”

Der Chef kommt rein, denkt zuerst, es sei ein schlechter Scherz. Dann sieht er die Realität: 50 Gäste, 70 offene Bons, und wir stehen da wie in einer Folge von Kitchen Impossible – aber ohne Kamerateam und Preisgeld.

Ich check die Vorräte. Alles, was vorbereitet ist, kann raus. Aber sobald’s um Garen, Dämpfen, Blanchieren, Warmhalten, Frittieren, Mixen oder irgendwas mit Strom geht? Vergiss es.

Wir werfen alles auf den Herd, was geht.
Linsen in der Pfanne.
Suppe direkt über der offenen Flamme.
Der Chef schnappt sich einen Schneebesen und sagt:
„Wir machen jetzt wie früher, Alter – mit Gefühl!“
Ich denke nur: Früher hatten wenigstens Licht, du Optimist.

Der Service? Völlig durch. Keine Kassensysteme. Kein Licht in der Bar. Nur Handy-Taschenlampen und verzweifelte Blicke.
Die Gäste? Irgendwann fangen sie an zu lachen.
„Ist das so ein Event-Dinner? Mit Erlebnisfaktor?“
Ja, Erlebnisfaktor Magenkrampf – aber egal.
Wir sagen einfach: „Stromausfall im Kiez – ganz Berlin ist betroffen.“
War gelogen. Der Nachbarladen hatte Licht. Wir nicht. Karma halt.

Drei Stunden lang kämpfen wir uns durch. Schwitzend. Fluchend. Rührend. Ich fühl mich wie ein mittelalterlicher Feldkoch, nur mit schlechterer Bezahlung.

Und dann – gegen 21 Uhr – kommt der Strom wieder. Einfach so. Kein Vorwarnung. Kein „Hallo, ich bin wieder da.“
Die Küche surrt. Der Pass blinkt. Der Bon-Drucker spuckt 38 offene Bestellungen aus.
Ich lache. Laut. Hysterisch. Der Chef kippt fast vom Stuhl.

Aber wir machen weiter. Weil Gastro nicht aufhört.
Und weil Gäste nichts verzeihen – außer du tust so, als wär alles Teil der Show.


Fazit:
Kein Strom? Kein Problem.
Nur Gas, offene Flamme und Wahnsinn reichen aus, um eine Gastro am Leben zu halten – für drei Stunden.
Danach brauchst du nur noch eins:
Ein Bier. Eine Dusche. Und eine Woche Schlaf.

Share this content:

Kommentar veröffentlichen

Das könnte dich auch interessieren